Erklärvideos: Produktions- und Einsatzmöglichkeiten im diklusiven Unterricht

Lara Schelker, Traugott Böttinger & Lea Schulz
01.02.2022

In diesem Artikel wollen wir beleuchten,

I. Was sind Erklärvideos?

Für Erklärvideos gibt es eine Vielzahl synonym verwendeter Begriffe wie Lernvideo, Videotutorial, Lehrvideo oder Erklärfilm. Gemeinsam ist allen Bezeichnungen, dass das Erklären, Vermitteln und Anleiten von Wissen im Mittelpunkt stehen:

„Erklärvideos sind eigenproduzierte, kurze Filme, in denen komplexe Inhalte, Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden (Erklärvideos im engeren Sinne) oder Tätigkeiten und Prozesse demonstriert und kommentiert werden (Tutorials), jeweils mit der Intention, beim Betrachter ein Verständnis zu erreichen bzw. einen Lernprozess auszulösen“ (Findeisen, Horn & Seifried, 2019, S.18).

II. Welche Potentiale haben Erklärvideos für das (schulische) Lernen?

In der thematischen Vielfalt (Wolf, 2015):

  • Erklärvideos können aufgrund der technischen Möglichkeiten (siehe auch Wie können Erklärvideos gestaltet werden?) eine große Bandbreite an Themen und Inhalten vermitteln.
  • Vor allem Sachverhalte, die im herkömmlichen Unterricht nicht ohne Weiteres realisierbar sind, können durch Erklärvideos veranschaulicht werden. Dazu gehören z.B. das Zeigen schwer erreichbarer oder weit entfernter Orte oder die bessere Veranschaulichung von Prozessen (u.a. durch Slow-Motion oder Zeitraffer)

In der gestalterischen Vielfalt (Arnold & Zech, 2019):

  • Die verschiedenen Gestaltungsformate und multimedialen sowie multicodalen Präsentationsformen eines Erklärvideos erleichtern eine multimodale Informationsverarbeitung, indem mehrere Sinneskanäle (v.a. visuell, auditiv) parallel angesprochen und Inhalte über verschiedene Repräsentationsformen (z.B. Bilder, Musik, Sounds, Animationen, gesprochene oder geschrieben Texte) vermittelt werden.
  • Das Storytelling eines Erklärvideos bindet die Inhalte in eine Rahmenhandlung oder einen Alltagsbezug ein und sorgt so für eine Kontextualisierung der Inhalte und zu einer Verbindung mit Emotionen. Dadurch wirken die vermittelten Informationen häufig greifbarer und motivieren zur Auseinandersetzung mit den Inhalten.
  • Der Call-to-Action-Charakter von Erklärvideos stellt zusätzliche eine Handlungsaufforderung für die Zuschauer dar.

Im informellen Kommunikationsstil (Wolf, 2015):

  • Der sprachliche Schwerpunkt von Erklärvideos liegt auf gesprochener Sprache mit einfachem, eher kurzem Satzbau, was sich positiv auf die Merkfähigkeit auswirkt.
  • Durch eine oft direkte Ansprache der Zuschauer auf einer eher personalisierten Ebene werden Lernvideos eher auf Augenhöhe und nicht hierarchisch von oben herab wahrgenommen. Dies kann dazu führen, dass die Wissensaneignung positiver und fehlertoleranter erlebt wird und die Zuschauer das Verstehen oder Erlernen der Inhalte eher auf Übung als auf individuelle Fähigkeiten attribuieren.

In der Komplexitätsreduktion (Arnold & Zech, 2019):

  • Erklärvideos im Unterricht sollten stets die exemplarische und altersgemäße Reduzierung der Lerninhalte auf die Bedürfnisse und Lernvoraussetzungen der Schüler:innen berücksichtigen. Dies kann zum Beispiel durch das verständliche Erklären oder den Verzicht auf inhaltlich nicht dringend notwendige Fremdwörter oder durch die Vereinfachung in der Beschreibung komplexer Prozesse (wie es z.B. bei der Darstellung physikalischer Gesetzmäßigkeiten häufig der Fall ist) geschehen. Allerdings darf eine Komplexitätsreduktion nicht zur Verfälschung der Inhalte führen. Dieses Spannungsfeld zwischen Verfremdung und Vereinfachung muss bei der Produktion von Erklärvideos stets mitgedacht werden.
  • Auch die technischen Möglichkeiten der Erklärvideos tragen zur Komplexitätsreduktion bei, indem die Lernenden die Videos in ihrem eigenen Lerntempo ansehen, anhalten und fortsetzen können. Zudem können die Videos je nach Bedarf beliebig oft abgespielt und unabhängig von Raum und Zeit quasi überall (egal ob zu Hause oder in der Schule) genutzt werden.

In der Unterstützung während des Lernprozesses (Findeisen, Horn & Seifried, 2019):

  • Die Rezeption von Erklärvideos kann bei Schüler:innen durch den Einsatz interaktiver Elemente zur Förderung kognitiven Wissens (v.a. prozedural) sowie zur Stärkung lernprozessmoderierende Faktoren wie Aufmerksamkeit und Motivation beitragen. Zudem kann das selbstbestimmte Lernen gefördert werden, indem Schüler:innen die Videos selbstständig und bedürfnisorientiert zu Hilfe nehmen.
  • Die Produktion von Erklärvideos kann zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und dessen Struktur beitragen, zudem können fachübergreifende Kompetenzen (z.B. sprachliche Fähigkeiten, Medienkompetenz) geschult werden.

III. Wie können Erklärvideos gestaltet werden?

1. Vor dem Hintergrund der kognitiven Theorie multimedialen Lernens (KTML) nach Mayer (2009)

Laut der KTML zielt multimediales Lernen auf die optimale Förderung von Lernprozessen durch kognitive Belastungsregulation im Arbeitsgedächtnis (Trojahner & Fürstenau, 2016, S.74). Lernen ist demnach nur erfolgreich, wenn die Anzahl der Informationseinheiten im Rahmen der Kapazitätsgrenzen des Arbeitsgedächtnisses (Modell nach Baddeley, 1986)  liegen. Die Wirkung von Medien auf das Lernen wird also hinsichtlich menschlicher Informationsverarbeitungs-prozesse (Informationselektion, -organisation und -integration in vorhandene Wissensstrukturen) betrachtet (Schmidt-Borcherding, 2020, S.65).

Die KTML kann in ihrer Gänze hier nicht dargestellt werden (siehe dazu Mayer, 2009; 2014). Im Zusammenhang mit Erklärvideos ist v.a. die Grundannahme von Bedeutung, dass das Arbeitsgedächtnis eine zeitlich und räumlich begrenzte Kapazität aufweist. Dadurch ist eine effektive Nutzung der kognitiven Kapazität von Relevanz (Petko, 2014, S.29). Die Cognitive Load Theory (Sweller, van Merrienboer & Paas, 1998) verfolgt in diesem Zusammenhang das Ziel, die auf das Arbeitsgedächtnis wirkenden Belastungen („loads“) zu steuern bzw. zu optimieren. Es werden v.a. drei Arten kognitiver Belastung unterschieden (Sweller, van Merrienboer & Paas, 2019):

  • Extrinsische kognitive Belastung (extraneous load): entsteht aufgrund ablenkender Gestaltung des Lernmaterials durch nicht lernrelevante Elemente (z.B. unnötige Animationen, Abbildungen etc.). Je ablenkender die Gestaltung des Lernmaterials, desto höher ist die extrinsische kognitive Belastung.
  • Intrinsische kognitive Belastung (intrinsic load): entsteht aufgrund der Komplexität des Lerninhalts. Je komplexer und schwieriger der Lerninhalt, desto höher ist die intrinsische kognitive Belastung.
  • Lernrelevante kognitive Belastung (germane load): entsteht durch die Lernanstrengung, die notwendig ist, um das Lernmaterial zu verstehen und neue kognitive Strukturen aufzubauen. Je größer das Verstehen, desto höher ist die lernrelevante kognitive Belastung.

Mayer (2009) formuliert nun vor diesem Hintergrund verschiedene Gestaltungsprinzipien für multimediale Lernmaterialien. Ziel ist es, den extraneous load zu minimieren, den intrinsic load zu kontrollieren und den germane load zu maximieren (Mayer, 2009, S.267).

Die Tabelle sammelt 11 Gestaltungsprinzipien für multimediales Lernmaterial. 
Unter die Minimierung der extrinsischen kognitiven Belastung fallen:
1. das Kohärenz-Prinzip: keine ablenkenden Wörter, Bilder oder Musik
2. das Signal-Prinzip: wesentliche Lernelemente hervorheben
3. das Redundanzprinzip: Visualisierungen mit gesprochenen Textinformationen kombinieren 
4. das räumliche Kontiguitäts-Prinzip: zusammengehörige Textinformationen und Visualisierungen räumlich nah beeinander präsentieren. 
5. das zeitliche Kontiguitäts-Prinzip: zusammengehörige Textinformationen und Bilder simultan statt sukzessiv präsentieren. 

Unter die Kontrolle der intrinsischen kognitiven Belastung fallen:
6. das Segmentierungsprinzip: multimediale Darstellung in viele kleine Einheiten aufteilen. 
7. Das Vorwissensprinzip: darauf achten, dass grundlegende Begriffe und Konzepte bereits vor der Betrachtung des Videos bekannt sind oder vorentlastet wurden. 
8. Das Modalitäts-Prinzip: Abbildungen, Grafiken und Animoationen mit gesprochenen statt mit zusätzlich geschriebenen Textinformationen einblenden. 

Unter die Maximierung der lernrelevanten kognitiven Belastung fallen: 
9. Das Multimedia-Prinzip: Sprache und Bilder kombineren, statt nur Sprache darbieten. 
10. Das Personalisierungsprinzip: Lehrtexte in einer dialogorientierter Sprache (z.B. direkte Ansprache) formulieren. 
11. Das Stimm-Prinzip: Lehrtexte von einer menschlichen Stimme vortragen lassen.
Gestaltungsprinzipien für multimediales Lernmaterial (erstellt nach: Mayer, 2009)

Empirische Studien bestätigen eine erhöhte Lernleistung durch die Anwendung der Gestaltungsprinzipien (Trojahner & Fürstenau, 2016). Allerdings wird kritisiert (ebd.), dass Interaktionseffekte mit z.T. negativen Auswirkungen auf den Lernprozess, die durch das Zusammenwirken mehrerer Prinzipien entstehen, nicht berücksichtigt werden. Hier besteht also noch erheblicher Forschungsbedarf.

2. Vor dem Hintergrund der Qualitätskriterien eines guten Erklärvideos (Kulgemeyer, 2020)

Erklärvideos, die im Unterricht eingesetzt werden sollen, müssen entsprechend qualitativ hochwertig aufbereitet sein. Für die kriterienorientierte Produktion eines guten Erklärvideos definiert Kulgemeyer (2020) verschiedene empirisch belegte Qualitätskriterien. Dabei darf jedoch der individuelle und situationsbezogene Einsatzkontext, also die Lerngruppe, der Inhalt, die Lernziele und der didaktische Einsatz, nicht vernachlässigt werden.

Die Tabelle listet Qualitätskriterien eines guten Erklärvideos (erstellt nach Kulgemeyer, 2020). 
Insgesamt werden sieben Kernideen aufgelistet und beschrieben. 
Kiterium 1: Adaptieren des Videos an die Lernvoraussetzungen der Zielgruppe (z.B. Vorwissen, Interessen, Lernbedürfnisse)
Kriterium 2: Werkzeuge zur Veranschaulichung nutzen und Beispiele, Analogien/Modelle und unterschiedliche Darstellungsformen einbauen sowie eine passgenaue Sprachebene wählen 
Kriterium 3: Relevanz des Videos verdeutlichen, indem erklärt wird, warum das Erklärte wichtig ist und an besonders wichtigen Stellen Aufforderungen zur inhaltlichen Auseinandersetzung gegeben werden. Zudem werden die Lernenden durch direkte Ansprache involviert. 
Kriterium 4: dem Video Struktur geben durch eine Regel-Beispiel-Struktur zur Vermittlung von Fachwissen und einer Beispiel-Regel-Struktur zum Lernen von Routinen. Zudem werden wesentliche Inhalte anschaulich zusammengefasst. 
Kriteirum 5: präzise und kohärent erklären. Exkurse und zu viele Beispiele werden vermieden, um den cognitive load gering zu halten. Durch das Verbinden der Inhalte wird eine hohe Kohärenz erreicht. 
Kriterium 6: Das Video bezieht für die Lernenden neue Prinzipien, die zu komplex für eine eigenständige Erarbeitung sind, mit ein. 
Kriterium 7: Einbettung des Videos im Unterricht, indem Anschlussaufgaben gestellt werden, mit denen das Erklärte vertieft und angewandt werden kann.
Qualitätskriterien eines guten Erklärvideos (erstellt nach Kulgemeyer, 2020)

IV. Wie produziere ich Erklärvideos?

Erklärvideos zeichnen sich durch vielfältige Stile und Formate aus (Zander, Behrens & Mehlhorn, 2020).

Stil

Unter Stil wird die persönliche Erklärweise der Person verstanden, die im Video zu sehen ist oder die als Sprecher:in fungiert. Bei Erklärvideos im Unterricht, die von der Lehrkraft produziert werden, basiert der Stil hauptsächlich auf der individuellen Lehrer:innenpersönlichkeit, wobei auf eine Korrespondenz zwischen der Lehrer:innenpersönlichkeit im unterrichtlichen Kontext und einem authentischen Auftreten der Lehrkraft im Video zu achten ist.

Formate und Techniken

Unter Format versteht man die äußere Gestalt eines Erklärvideos. Man kann zwischen personalisierten (erklärende Person ist zu sehen/im Vordergrund zu sehen) und entpersonalisierten (erklärende Person ist nicht zu sehen/im Hintergrund) unterscheiden.

Die Kategorisierung von Erklärvideos erfolgt anhand unterschiedlicher Formate, wie z.B.

  • Legetechnik (analog/digital): Es werden Bilder und/oder Wörter gedruckt und ausgeschnitten. Der Sprecher erklärt dann während des Legens der Bilder/Wörter die Inhalte.
  • Video-Tutorial: Bei Video-Tutorials wird üblicherweise eine Handlung aufgenommen und von der Sprecherstimme kommentiert.
  • Interview: Das Erklärvideo kann in einer Interview-Technik verwendet werden. Hierfür ist ein Experte im Bild zu sehen und eine weitere Person (entweder aus dem Off oder ebenfalls im Bild zu sehen) stellt dieser Person Fragen.
  • Talking Head: Bei diesem Format ist ein kleiner Ausschnitt der sprechenden Person im Video zu sehen. So können bspw. die Folien erklärt werden, gleichzeitig ist die Lehrkraft in Bezug auf Mimik und Gestik z.B. unten rechts im Bild zu sehen.
  • Vlogging-Stil: Vlogging bedeutet Blogging im Videoformat. Im Bild ist ein Moderator zu sehen, der etwas berichtet oder erklärt. Dies kann auch mit der Green-Screen-Technik verbunden werden. Ein Beispiel zum Thema Mikroplastik findet ihr in diesem Youtube-Video.
  • Green-Screen: Mit dem Green-Screen kann vor einer farbigen (meist grünen oder blauen) Wand ein Video produziert werden. Der grüne Hintergrund kann dann durch etwaige Videos oder Fotos im Hintergrund ersetzt werden. Diese Technik wird bspw. bei der Nachrichtenproduktion oder für den Wetterbericht verwendet. Beispiele für den Einsatz in der Grundschule findet ihr hier.
  • Stop-Motion: Mit der Stop-Motion-Technik werden viele verschiedene Fotos aneinandergereiht. Daraus entsteht dann eine Animation. Diese Technik kann auch für Erklärvideos verwendet werden. Ein Beispiel zum Thema Mitose findet ihr in diesem Youtube-Video.
  • Screen-Cast: Mit dem Screen-Cast wird dein Bildschirm und die Bewegungen darauf aufgenommen. Dies wird häufig verwendet, um eine App oder ein Computerprogramm genauer zu erklären.
  • Whiteboard: Es gibt verschiedene Apps, die sich wie ein Whiteboard nutzen lassen. Darauf können dann bspw. Rechenwege geschrieben und gleichzeitig erklärt werden. Ein prominentes Programm ist bspw. Explain Everything. Ein Tutorial dazu findet ihr in diesem Youtube-Video.

Die Wahl des Formats steht in Abhängigkeit zur technischen Ausstattung, zur Passung zum Inhalt, zur Zielgruppe sowie den Rahmenbedingungen und zu den (medienbezogenen) Kompetenzen der Lehrkraft und der Schüler:innen.

Eine Übersicht einiger Arten von Erklärvideos ist in diesem Youtube-Video anschaulich zusammengestellt:


Zudem werden im Folgenden drei Beispiele für ein relativ schnell zu produzierendes Erklärvideo beschrieben.

a) Lege-Technik

Bei der Lege-Technik können Bilder und Piktogramme selbst gezeichnet oder einfach ausgedruckt werden. Diese werden dann zugeschnitten und bei einer einfachen Video-Aufnahme durch ein Mobiltelefon oder ein Tablet passend zum Sprechertext auf eine Oberfläche gelegt. Es ist keine spezielle App oder Ähnliches erforderlich.

Folgendes Video erklärt die Umsetzung eines einfachen Lege-Technik-Films:

Die Lege-Technik kann auch durch Software geleistet werden. Die Webseite „mysimpleshow“ stellt Schulen einen kostenfreien Zugang zur Software zur Verfügung (Bereich Education unter Preise). Hier ist eine Erklärung für die Umsetzung von Erklärvideos mit mysimpleshow zu sehen:


b) Folientechnik mit Powerpoint

Zunächst wird eine klassische Powerpoint im Folienformat erstellt. Im Anschluss wird die Powerpoint mit einem Sprechertext belegt und als Video gespeichert. Dafür wird unter dem Reiter „Bildschirmpräsentation“ auf „Bildschirmpräsentation aufzeichnen“ geklickt. Als technische Voraussetzungen braucht man einen Computer mit Mikrofon und Microsoft Powerpoint ab der Version Office 2013. Hier (Link einbinden) ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung von Microsoft Office zu finden, folgendes Video zeigt die Verwendung der Bildschirmaufnahme in Powerpoint:


c) Folientechnik mit Adobe Spark Video

Adobe Spark Video ist ein kostenfreies Programm, das über den Browser oder als App für iOS zur Verfügung steht. Hiermit können verschiedene Fotos, Videos, Symbole oder Text miteinander zu einem Video verbunden werden. Als technische Voraussetzungen braucht man entweder einen Computer mit Browser und Internetzugang oder ein iPhone/iPad mit der App Adobe Spark Video. Folgendes Video führt in die Nutzung von Adobe Spark in die Schule ein:


V. Diklusiver Einsatz von Erklärvideos

Ein Einsatz von Erklärvideos, der die Annahmen des Universal Design for Learning diklusiv (siehe auch Grundlagenartikel zum UDL diklusiv) berücksichtigt, kann im Unterricht, v.a. in inklusiven Settings, Lernzugänge erweitern, Lern-Barrieren abbauen und so allen Schüler:innen die Teilnahme am Unterricht und am Lernprozess ermöglichen.

Vorweg: Essentiell ist es, dass Schüler*innen lernen, mit Erklärvideos umzugehen. Gerade Schüler*innen mit einem Förderbedarf im Bereich Lernen benötigen eine strukturelle Unterstützung, wie sie Erklärvideos zum Lernen nutzen können. Hierfür benötigen sie eine Einführung und verschiedene Hilfestellungen und Lernstrategien bei der Arbeit mit Erklärvideos. Ein Beispiel, dass für das jeweilige Kind und/oder die jeweilige Klassenstufen angepasst werden kann, steht hier zum Download (verlinken) und zur Weitergabe zur Verfügung.

Legt man das UDL diklusiv (Böttinger & Schulz, 2021; Schulz & Böttinger, 2021) zugrunde, können aus den drei Säulen verschiedene lernförderliche Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten extrahiert werden, von denen einige exemplarisch dargestellt werden.

Säule I (Lernengagement fördern), Bereich Lerninteresse wecken – passgenaue Inhalte

  • passgenaue Lerninhalte und Medien für bzw. mit Schüler:innen erstellen durch Orientierung an Lernbedürfnissen und -voraussetzungen der Schüler:innen  sowie an verschiedenen Gestaltungskriterien für Erklärvideos (siehe Kapitel III)
  • Beispiel – Länge des Videos: Die Videos sollten besonders in unteren Jahrgängen nicht zu lang sein. Es besteht die Gefahr, dass die Schüler:innen innerlich abschalten. Zwei bis drei Minuten sind häufig ausreichend, Videos unter 6 Minuten sind für die Motivation der Lernenden zuträglich.
  • Beispiel – Unwichtige Inhalte weglassen: Irrelevante Wörter, Klänge, Symbole, Bilder sollten weggelassen werden, damit die Schüler:innen sich auf wesentliche Inhalte fokussieren können (siehe auch Cognitive Load Theory, Kapitel III)

Säule I (Lernengagement fördern), Bereich Lerninteresse wecken – emotionale Aktivierung

  • Emotionale Aktivierung unter Einbezug der mediatisierten und digitalisierten Lebenswirklichkeit der Schüler:innen.
  • Beispiel – persönliche Ansprache: Eine persönliche Ansprache der Lernenden regt kognitive Prozesse durch persönliche Kommunikation an.  Beispiele: „Hier siehst du, wie das Eichhörnchen seine Nahrung sucht.“ oder „In diesem Video lernst du, wie du schriftlich addierst“.
  • Beispiel – Einblendung des Sprechers: Besonders im Grundschulbereich erhöht es die Motivation der Lernenden, wenn an bestimmten Stellen der Sprecher, also in der Regel die Lehrkraft, durch Einblendung des Kopfes zu sehen ist.

Säule II (Informationen repräsentieren), Bereich Wahlmöglichkeiten zur Perzeption bieten – Visualisierungen

  • Visualisierungen als Alternative für auditive Informationen nutzen bzw. Alternativen für visuelle Informationen bereitstellen.
  • Beispiel – Verbindung von Ton und Text: Es ist sinnvoll, gesprochene Worte/Texte und Bilder zusätzlich mit geschriebenen Wörtern zu kombinieren, da dadurch eine tiefere Verarbeitung gewährleistet werden kann (siehe auch: Ausführungen zur KTML). Hierbei ist zu beachten, dass diese schriftlichen Informationen kurz gehalten werden und sich auf einzelne Wörter beschränken sollen. Außerdem sollte möglichst immer das beschrieben werden, was auch im Bild zu sehen ist.

Säule II (Informationen repräsentieren), Bereich Wahlmöglichkeiten zur Perzeption bieten – kleinschrittige Präsentation

  • Informationen schrittweise präsentieren
  • Beispiel – Segmentierung: Lerneinheiten sollten in viele kleine Einheiten segmentiert werden, zu denen mehrere Erklärvideos erstellt werden. Auch innerhalb eines Erklärvideos ist es gut, in Abschnitte zu unterteilen (z.B. durch Zahlen- oder Buchstaben-Nummerierungen dargestellt und über Bookmarks abrufbar).
  • Beispiel – Hervorhebungen: Zur Lenkung der Aufmerksamkeit der Lernenden ist es sinnvoll, mit sprachlichen wie visuellen Hervorhebungen zu arbeiten. Sprachlich können dies Inhaltsübersichten am Anfang („Heute lernen wir etwas über…“), Betonungen durch die Stimme oder Nummerierungen („erstens“, „zweitens“, …) sein, visuell kann es sich um Einkreisungen, Pfeile oder farbliche Abgrenzungen handeln.

Säule II (Informationen repräsentieren), Bereich Wahlmöglichkeiten für das Verständnis bieten – Hintergrundinformationen

  • Erarbeitung von Hintergrundinformationen zur kognitiven Aktivierung und zum Bereitstellen weiterer Inhalte (u.a. zur Übung).
  • Beispiel – weiteres Lernmaterial anbieten: Zum Erklärvideo sollten gleichzeitig Übungen angeboten werden, sodass die Schüler:innen in zeitlicher Nähe die Inhalte aus dem Erklärvideo anwenden und bearbeiten können. Besonders effektiv ist eine Unterbrechung der Videos durch kleine Tests und interaktive Elemente z.B. über H5P.

Literatur

Arnold, S. & Zech, J. (2019). Kleine Didaktik des Erklärvideos. Erklärvideos für und mit Lerngruppen erstellen und nutzen. Westermann Verlag. Braunschweig.

Baddeley, A. (1986). Working Memory. Clarendon Press. Oxford.

Böttinger, T. & Schulz, L. (2021). Diklusive Lernhilfen – Digital-inklusiver Unterricht im Rahmen des Universal Design for Learning. In Zeitschrift für Heilpädagogik, 72, 2021, S.436-450.

Findeisen, S., Horn, S. & Seifried, J. (2019). Lernen durch Videos – Empirische Befunde zur Gestaltung von Erklärvideos. In MedienPädagogik, Oktober 2019, S.16-36.

Kulgemeyer, C. (2020). Erklären im Physikunterricht. In E. Kircher, R. Girwidz & H.E. Fischer (Hrsg.). Physikdidaktik – Grundlagen (S.403-426). 4.Auflage. Berlin: Springer Verlag.

Mayer, R. (2014). Cognitive Theory of Multimedia Learning. In R. Mayer (Hrsg). The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (S.43-71). 2.Edition. Cambridge: University Press.

Mayer, R. (2009). Multimedia Learning. 2.Edition. Cambridge University Press. Cambridge.

Schmidt-Borcherding, F. (2020). Zur Lernpsychologie von Erklärvideos -Theoretische Grundlagen. In S. Drogerloh & K.D. Wolf (Hrsg). Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos (S.63-70). Weinheim: Beltz Verlag.

Schulz, L. & Böttinger, T. (2021). Digitale Barrieren abbauen – Das diklusive Universal Design for Learning. In L. Schulz, I. Krtoski, M. Lüneberger & D. Wichmann (Hrsg.). Diklusive Lernwelten – Zeitgemäßes Lernen für alle Schülerinnen und Schüler (S.54-60). Dornstadt: Visual Ink.

Sweller, J., van Merrienboer, J. & Paas, F. (1998). Cognitive architecture and instructional design. In Educational Psychology Review, 10, S.251-295.

Sweller, J. , van Merrienboer, J. & Paas, F. (2019). Cognitive architecture and instructional design: 20 years later. In Educational Psychology Review, 31(2), S. 261–292.

Trojahner, I. & Fürstenau, B. (2016). Die Kognitive Theorie multimedialen Lernens. In B. Fürstenau (Hrsg.). Lehr-Lern-Theorien. Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus: Lernen und Expertise verstehen und fördern (S.61-76). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

Wolf, K.D. (2015). Bildungspotentiale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube: Audio-visuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative peer education? In merz Medien + Erziehung, 1(59), S.30-36.

Zander, S., Behrens, A. & Mehlhorn, S. (2020). Erklärvideos als Format des E-Learnings. In H. Niegemann & A. Weinberger (Hrsg.). Lernen mit Bildungstechnologien, Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen (S.247-258). Berlin: Springer.

Zitationsvorschlag

Schelker, L., Böttinger, T. & Schulz, L. (2022). Erklärvideos: Produktions- und Einsatzmöglichkeiten im diklusiven Unterricht. Online verfügbar unter